Neues Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) - Herausforderungen an die Wirtschaft

Vortrag von Joachim Bergmann
Zenk Rechtsanwälte, Hamburg

1) Politiker jedweder Couleur versprechen in populistischen ‚Fensterreden’, dass spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, mit der überbordenden Flut von Rechtsvorschriften, die es auch dem Spezialisten nahezu unmöglich macht, noch den Überblick zu wahren, ein Ende zu machen. Es werden Kommissionen gebildet, die sich mit Fragen der Entbürokratisierung, Steigerung der Transparenz, der Rechtsvereinfachung etc. beschäftigen. Es wird versprochen, dass der Staat sich künftig zurücknehmen werde oder dies tun müsse, dies zum Einen im legislativen Bereich, zum Anderen auch finanziell (Stichwort: Rückführung der Staatsquote auf 40% oder weniger).

Auch das LFGB steht unter anderem unter dieser Zielsetzung. In der Amtlichen Begründung heißt es, dass durch die Bündelung von Regelungen im LFGB (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts; Bundesrats-Drucksache 429/04 vom 28.05.2004) das Lebensmittelrecht „vereinheitlicht und damit transparenter“ werde. Für alle Betroffenen, vom Verbraucher bis zum Wirtschaftsbeteiligten, soll es „einfacher (werden), die geltenden Vorschriften im Lebensmittelbereich zu ermitteln; die Rechtsanwendung wird so erleichtert.“

Ach, wäre es doch nur so! Dieses durchaus wünschenswerte Ziel wird leider meilenweit verfehlt. Auch wenn die Lebensmittelwirtschaft viele Verbesserungen gerade im Hinblick auf Transparenz und Übersichtlichkeit des LFGB im Gesetzgebungsverfahren erstritten hat, bleibt es leider dabei, dass das LFGB zu allem anderen angetan ist, nur nicht zur Vereinfachung der Rechtsanwendung. Und wir kennen erst die Spitze des Eisbergs! Das LFGB enthält ca. 150 Einzelermächtigungen zum Erlass von Rechtsvorschriften, so dass man sich leicht ausmalen kann, wie monströs, unübersichtlich und für die Rechtsunterworfenen damit kaum zu bewältigen das Gesamtkonzept einmal aussehen wird.

2) Unser nationales Lebensmittelrecht muss aufgrund der sog. Basis-Verordnung der EU (VO Nr. 178/2002) an das Gemeinschaftsrecht angepasst werden.

3) Neben diesem erforderlichen Anpassungsschritt hat sich das zuständige Ministerium (BMVEL) veranlasst gesehen, „im Interesse der Lebensmittelsicherheit einen einheitlichen Ansatz“ zu verfolgen und auch den Bereich der Futtermittel mit den Lebensmitteln in einem einheitlichen Gesetz (eben dem LFGB) zu regeln. Das LFGB stellt also ein „einheitliches Gesetzbuch für Lebensmittel und für Futtermittel“ dar.

4) Für die betroffene Wirtschaft stellen sich eine große Anzahl von z.T. neuen Problemen, deren konkrete Auswirkungen für die Praxis bisher allenfalls erahnt werden können:

a)Generelle Gleichstellung von Stoffen, die aus ernährungsphysiologischen oder diätetischen Zwecken verwendet werden, mit den Zusatzstoffen. Dies wird insbesondere für den Bereich der Nahrungsergänzungsmittel, Functional Food etc. zu einer großen Rechtsunsicherheit führen.

b)Das allgemeine Täuschungs- und Irreführungsverbot aus Artikel 2 Abs. 1 Buchst. a RL 2000/13/EG in Anlehnung an die bisherige Regelung in § 17 Abs. 1 LMBG steht nicht in Einklang mit dem diesbezüglichen, verbindlichen Gemeinschaftsrecht. Die negativen Erfahrungen mit der Regelung in § 17 Abs. 1 Nr. 4 LMBG, dem Verbot der sogenannten ‚Naturrein’-Werbung, aufgrund des EuGH-Urteils vom 04.04.2000 („d’arbo naturrein’) haben also nur teilweise (§ 17 Abs. 1 Nr. 4 LMBG ist nicht in das allgemeine Täuschungs- und Irreführungsverbot des in § 11 LFGB aufgenommen worden) gefruchtet.

c)Besonders bedauerlich ist es, dass das Verbot krankheitsbezogener Aussagen, wie es in § 18 LMBG bisher geregelt ist, unverändert in § 12 LFGB übernommen werden soll. Angesichts der Vollharmonisierung des Krankheitswerbeverbotes in Artikel 2 Abs. 1 Buchst. b RL 2000/13/EG verstößt diese Regelung gegen vorrangiges Gemeinschaftsrecht. Darüber hinaus wäre es auch in der Sache geboten gewesen, dieser – aus der Sicht des Verfassers verbraucherfeindlichen – Vorschrift die ‚Giftzähne’ zu ziehen.

d)Die Regelungen der Probenahme in § 43 LFGB berücksichtigen nicht die Folgen aus dem EuGH-Urteil vom 10.04.2003, wonach dem betroffenen Hersteller zum Erhalt seiner Verteidigungsrechte die von der Amtlichen Lebensmittelüberwachung zugelassenen Gegenproben zur Verfügung stehen müssen. In den Vorentwürfen zum LFGB waren diesbezüglich umfängliche Informationspflichten der Behörden (!) in § 43 LFGB verankert. Hiervon ist nichts – aber auch gar nichts – übrig geblieben. Die Behörden entziehen sich – und dies nicht zum ersten Mal – jeglicher diesbezüglicher Pflicht.

e)§ 45 Abs. 3 LFGB ermächtigt das BMVEL, Melde- und Mitteilungspflichten für ‚jedermann’ zu statuieren. Damit wird die gegen Artikel 19 VO Nr. 178/2002 verstoßende Vorschrift des § 40a LMBG, die an sich per 31.12.2004 gegenstandslos werden sollte, in die Zukunft perpetuiert.

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