22.08.2001

Mangelernährung bei Senioren

Bonn, 22. August 2001

Mangelernährung in der Wohlstandsgesellschaft gibt es öfter als mancher meinen mag. Vor allem betagte Heimbewohner und Kranke nehmen oftmals nicht die ausreichende Menge an Nährstoffen auf.

Alarmierende Schlagzeilen in der Presse: "Experten kritisieren Mangeler-nährung bei Heimbewohnern" oder "Unterernährte haben verminderte Lebenserwartung". Was steckt eigentlich hinter solchen Nachrichten und was kann man dagegen tun?

Mangelernährung (Malnutrition) bei Senioren gibt es tatsächlich in unserer Wohlstandsgesellschaft und häufig wird sie zu spät erkannt. Denn: Bei alten Menschen, die sich mit Kalorien in Form von leicht ess- und beschaffbaren reinen Kohlenhydraten wie Brötchen, Zwieback, Brei und Marmelade ernähren, wird Mangelernährung oft nicht erkannt, da Gewichtsverlust, eingefallenes Gesicht oder trockene Haut vielfach als „normal“ bei alten Menschen angesehen werden.

Die Folgen einer Fehl- oder Mangelernährung können dramatisch sein.
Sie kann Wundheilungsstörungen, Muskelabbau und depressive Verstimmungen verursachen und die Immunabwehr vermindern. Nach Auffassung von Experten wird die Lebenserwartung durch Mangelernährung verkürzt, in jedem Fall wird aber die Lebensqualität massiv beeinträchtigt. Mangelernährung und Austrocknung zählen zu den häufigsten geriatrischen Symptomen und sind oftmals so stark ausgeprägt, dass sie einen eigenen Krankheitswert entwickeln.

Ursachen der Mangelernährung
Mangel entsteht grundsätzlich dann, wenn ein Bedarf nicht gedeckt wird. Bei Senioren geht allerdings Mangelernährung nicht immer mit Untergewicht einher. Wesentliche Einflussfaktoren, die im Alter eine Mangelernährung begünstigen, können physiologische Altersveränderungen, die Einnahme von Medikamenten sowie körperliche und psychische Beeinträchtigungen sein.

Appetitlosigkeit ist bei vielen Senioren eine ernstzunehmende Erscheinung, die wiederum verschiedene Ursachen haben kann:

  • Krankheiten, die mit Schmerzen verbunden sind (besonders häufig bei Tumorerkrankungen)
  • Demenz
  • Medikamenteneinnahme, zum Beispiel Psychopharmaka oder Antibiotika
  • Chemo- oder Strahlentherapie
  • sekundäre psychologische Faktoren wie Angst, Trauer oder Depression
  • ein verändertes Geschmacksempfinden im Alter (es wird nur noch "süß" geschmeckt)
  • gestörte Feinmotorik nach Schlaganfall oder bei Parkinson
  • Geruchs- und Geschmackseinbußen
  • schlechter Zahnstatus
  • Kau- und Schluckstörungen
  • sozio-ökonomische Faktoren wie Armut, Einsamkeit.

Woran fehlt’s?
Eine Unterversorgung findet man hauptsächlich bei den Vitaminen B12, D, C, B1, B2, B6, Niacin und Folsäure. Auch bei den Mineralstoffen wurden Versorgungslücken festgestellt. Dazu zählen Kalium, Eisen, Zink, Magnesium, Calcium und Selen. Zinkmangel tritt neben Eisenmangel am häufigsten auf. Die Versorgung mit Energie und Eiweiß ist ebenfalls nicht optimal.

Die "Puddingvegetarier"
Die Ernährung alter Menschen ist oft einseitig. Fleisch und Gemüse werden weniger konsumiert. Nicht selten entwickeln sich Senioren zu sogenannten Puddingvegetariern. Weißbrot mit Marmelade und eine Tasse Kaffee sind die Hauptmahlzeit des Tages. Viele Senioren kochen nur einmal für die ganze Woche vor und wärmen die Reste immer wieder auf. Häufiges Aufwärmen führt zu einem Verlust wichtiger Vitamine. Außerdem steigt bei langem Aufbewahren vorgekochter Speisen die Gefahr des Verderbs aufgrund von Verkeimung.

Viel trinken ist ganz wichtig
Anders als der Kalorienbedarf, der mit zunehmendem Alter abnimmt, ist der Flüssigkeitsbedarf altersunabhängig. Täglich sollen mindestens zwei Liter Flüssigkeit im Speisenplan enthalten sein, auch wenn bei Senioren das Durstgefühl nachlässt.

Das kann man jeden Tag beobachten: Kinder haben fast immer Durst und wollen etwas trinken. Senioren dagegen trinken nur selten und dann nur kleine Mengen. Das ist meist zu wenig, sagen Experten.

Wer zu wenig trinkt, setzt einen Teufelskreis in Bewegung, der in einer lebensbedrohenden Austrocknung des Körpers endet: Vergesslichkeit, eingeschränkte Beweglichkeit, vermindertes Durstempfinden bis hin zu einer dramatischen Verschlechterung des Allgemeinzustandes können die Folge sein. Zu wenig Trinken kann sogar zu Verwirrtheitszuständen und Bewusstlosigkeit führen, was dann nur noch im Krankenhaus behandelt werden kann. Wenn Senioren genug trinken würden, könnte manchen von ihnen ein Krankenhausaufenthalt erspart bleiben.

Versorgungslücken müssen nicht sein
Mangelernährung bei alten Menschen aber muss nicht sein. Alte Menschen haben zwar einen verminderten Kalorienbedarf, der Bedarf an Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen ist jedoch nicht geringer als bei jüngeren. Mit anderen Worten: die Nahrung muss im Alter eine höhere Nährstoffdichte (Gehalt an essentiellen Nährstoffen wie Eiweiß, Mineralstoffe, Vitamine und Spurenele-mente pro Energieeinheit, z.B. pro 100 kcal) haben. Abgestimmt auch auf Erkrankungen und Bedürfnisse ist es heute möglich, ausreichende Mengen an allen Nährstoffen zur Verfügung zu stellen.

Für alte Menschen – insbesondere Kranke und Bettlägerige –, die Schwierigkeiten mit der Nahrungsaufnahme haben, gibt es eine ganze Reihe industriell gefertigte, bedarfsdeckend bilanzierte Trink- und Sondennahrung (diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke) sowie Supplemente. Diese entsprechen in ihrer Zusammensetzung den ernährungsmedizinischen Anforderungen. Bei Kau- und Schluckbeschwerden muss die Konsistenz von Nahrungsmitteln und Speisen durch Zerkleinern oder Andicken mit speziellen diäte-tischen Lebensmitteln/Dickungsmitteln angepasst werden, sofern keine Bilanzierten Diäten eingesetzt werden.

Proteinmangel – ein häufiges Problem bei Senioren !
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für über 65-Jährige eine tägliche Eiweißmenge von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Eine neuere Untersuchung weist bei dieser Altersgruppe sogar auf einen Eiweiß-bedarf von 1,0 bis 1,25 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht hin. Zu den ei-weißreichen Lebensmitteln gehören Milch und Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier und Hülsenfrüchte. Die Tabelle zeigt nun aber, wie schwierig es ist, die gewünschte Eiweißmenge aufzunehmen. Bei einem Körpergewicht von 60 kg müssten circa 60 g Eiweiß pro Tag aufgenommen werden:

Lebensmittel

Eiweißmenge

1 Scheibe Brot

4 g

1 Scheibe Emmentaler

10 g

1 EL Quark

4 g

1 Joghurt (150 g)

4,5 g

1 Ei

7 g

3 – 4 kleine Kartoffeln

2 g

100 g Möhrengemüse

1 g

150 g Kabeljau

27 g

150 g Putenschnitzel

35 g

Kommt es jetzt noch zu einem erhöhten Eiweißbedarf, wie bei Dekubitus, Krebserkrankung oder Infektion, wird die ausreichende Zufuhr noch schwieriger.
In genannten Fällen kann eine gezielte Supplementierung in Form von Nahrungsergänzungen oder eiweißreichen Trinknah-rungen (Bilanzierten Diäten) sinnvoll sein um diese Versorgungslücken zu schließen.

Fachleute haben guten Rat parat
Bei Verdacht einer nicht genügenden Nährstoffzufuhr und damit der Gefahr eines mangelhaften Ernährungszustandes, sollte unverzüglich der Rat eines Fachmanns, wie Arzt oder Apotheker eingeholt werden. Erste Informationen können Sie auch aus dem Internet unter den ausgewählten Links erhalten.

Links:
Die Homepage des DIÄTVERBANDes -

www.diaetverband.de

- führt über die Mitgliederliste zu zahlreichen Fachbeiträgen. Zum Teil bieten die Firmen auch Broschüren an, die man bestellen oder downloaden kann.

Weitere Adressen:

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diätreport 08/2001

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– Beleg erbeten an DIÄTVERBAND e.V.