13.08.2024

PRESSEMITTEILUNG 01/2024 vom 09. August 2024
Stellungnahme des DIÄTVERBANDes zur Veröffentlichung des ATNI Vermarktungsindex für Muttermilchersatzprodukte und Beikost 2024

Bonn, 09. August 2024 – ATNI Vermarktungsindex für Muttermilchersatzprodukte und Beikost 2024
Die „Access to Nutrition Initiative“ (ATNI) hat einen neuen Vermarktungsindex für Muttermilchersatzprodukte und Beikosterzeugnisse veröffentlicht, der auf Untersuchungen in den USA, Vietnam, China und Indonesien sowie Deutschland zurückgeht. Auch wenn die Vision der Initiative grundsätzlich unterstützenswert erscheint, ist das Ergebnis der aktuellen ATNI-Publikation kritisch zu hinterfragen, da im Hinblick auf die Einhaltung rechtlicher Anforderungen nicht die tatsächlich geltende Rechtslage, sondern vielmehr unverbindliche Verlautbarungen der WHO herangezogen wurden.

Spezieller Bewertungsmaßstab des aktuellen Marketing-Index für Muttermilchersatzprodukte und Beikosterzeugnisse ist der sogenannte WHO-Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatz aus dem Jahr 1981, der in Europa und Deutschland in geltendes Recht umgesetzt worden ist. Ergänzend hat ATNI jedoch sämtliche sonstigen späteren Resolutionen, Empfehlungen, Leitlinien und alle anderen Publikationen der WHO als Bewertungsgrundlage herangezogen. ATNI selbst räumt ein, dass sich ihre Beurteilung nicht an dem in den untersuchten Ländern geltenden verbindlichen Recht orientiert.

Dies ist jedoch entscheidend, da die Veröffentlichungen der WHO an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, die diese unter Beachtung des jeweiligen nationalen Kontextes bei Bedarf ggf. in lokale Gesetze umsetzen sollen. Für Europa und Deutschland trifft dies auf den vorgenannten WHO-Kodex zu, nicht aber auf andere Verlautbarungen, darunter solche, die sämtliche Lebensmittel für Kleinkinder bis zum vollendeten 3. Lebensjahr - in einigen Fällen sogar bis zum 6. Lebensjahr – als Ersatz für Muttermilch bzw. als Ersatz für das Stillen ansehen. In derartigen Verlautbarungen wird ein überdehntes Verständnis von ‚Muttermilchersatz‘ zur Grundlage gemacht, welches sich NICHT aus dem WHO Kodex und den Folgeresolutionen ableiten lässt. Folgerichtig hat der Europäische Gesetzgeber die Grundsätze und Ziele nur des internationalen WHO-Kodex unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in der Europäischen Union in geltendes Recht umgesetzt, indem er die Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung sowie Verkaufsförderungs- und Handelspraktiken von sog. Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung sehr strengen Regularien unterworfen hat, damit diese Muttermilchersatzprodukte nicht vom Stillen abhalten. Andere Lebensmittel wie Beikosterzeugnisse oder sonstige Lebensmittel für Kleinkinder bis zum 3.oder für Kinder bis zum 6. Lebensjahr werden aus gutem Grund nicht als Ersatz für Muttermilch angesehen.

Auch andere von ATNI herangezogene Bewertungskriterien stehen nicht im Einklang mit den hierzulande geltenden Vorschriften und fachlichen Empfehlungen. So werden beispielsweise in Deutschland sämtliche Säuglingsanfangsnahrungen mit dem Hinweis versehen „Stillen ist das Beste für Ihr Baby“. Dies entspricht den rechtlichen Vorgaben. Weitere Hinweise zum Stillen werden zusätzlich auf den Verpackungen angegeben. ATNI bewertet dagegen Produkte bereits als nicht WHO-konform, wenn auf den Verpackungen nicht explizit auf ein „Stillen über 2 Jahre und darüber hinaus“ empfohlen wird. Auch im Hinblick auf die Zubereitung pulverförmiger Säuglingsanfangsnahrungen weichen die Erwartungen von ATNI vom anerkannten Status Quo in Deutschland ab. In Abstimmung mit den deutschen Behörden wurde ein einheitlicher Zubereitungshinweis für pulverförmige Säuglingsanfangsnahrungen vereinbart, der auf allen Verpackungen verwendet wird und u.a. eine Zubereitung mit frischem, abgekochten und auf ca. 40 bis 50°C abgekühltem Trinkwasser vorsieht. Damit sollen Verbrühungsgefahren für das Baby abgewendet werden. ATNI dagegen bewertet Produkte als nicht WHO-konform, wenn keine Zubereitung mit mindestens 70°C heißem Wasser empfohlen wird, wie dies für Entwicklungsländer aus hygienischen Gründen im Einzelfall sinnvoll erscheinen mag. Fern der deutschen Rechtslage auch die ATNI-Forderung, dass sämtliche industriell gefertigten Beikosterzeugnisse auf der Verpackung mit einem Hinweis ausgestattet werden sollen, wonach die „häusliche Selbstzubereitung von Beikost aus lokal und saisonal verfügbaren Rohwaren ausdrücklich empfohlen wird“. Fehlt ein solcher, das eigene Produkt letztlich in Frage stellender Hinweis, gilt das Produkt nach ATNI-Maßstäben als nicht WHO-konform.

Selbstverständlich halten sich die im DIÄTVERBAND zusammengeschlossenen Hersteller von Babynahrung an Recht und Gesetz. Über umfangreiche interne Abstimmungs- und Prüfverfahren stellen sie sicher, dass sämtliche Produkte, einschließlich der Kommunikationsmaterialien, alle rechtlichen, regulatorischen und ernährungswissenschaftlichen Anforderungen erfüllen sowie den nationalen Gesetzen und Branchenkodizes entsprechen. Die Hersteller bekennen sich ebenso selbstverständlich zu den im WHO-Kodex und den im verbindlichen Unionsrecht festgelegten Grundsätzen für die Vermarktung von Säuglingsnahrungen, die als Muttermilchersatz dienen. Dies schließt ausdrücklich die Förderung und den Schutz des Stillens ein. Der Förderung und dem Schutz des Stillens wird seitens der Hersteller höchste Beachtung gewidmet. Ergänzend sei dazu auch auf den beigefügten „Faktencheck: Die Förderung des Stillens und der Beitrag der Babynahrungshersteller“ verwiesen. Die Praktikabilität der von ATNI herangezogenen Bewertungskriterien ist dagegen im Einzelfall kritisch zu hinterfragen.

Die grundsätzlichen Ziele von ATNI, die auf mehr Nachhaltigkeit, einen weltweit verbesserten Zugang zu Lebensmitteln sowie die Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Bevölkerung abzielen, werden zweifellos auch vom DIÄTVERBAND als prinzipiell unterstützenswert abgesehen. Umso bedauerlicher ist es, dass ATNI bei ihrer Bewertung bewusst NICHT die in den untersuchten Ländern geltende verbindliche Rechtslage herangezogen hat, sondern vielmehr sämtliche, letztlich nicht verbindlichen Verlautbarungen der WHO. Die Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten und Beikost kann aber nur anhand der nationalen Gesetze und Vorschriften beurteilt werden, die das einzige legitime Instrument sind, an dem die Vermarktung zu messen ist. Verstöße gegen geltendes Recht sind nach hiesigem Erkenntnisstand auch von ATNI bei den in Deutschland angebotenen Babynahrungen nicht festgestellt worden. Die deutschen Hersteller halten sich an Recht und Gesetz.

Die Gesundheit der Säuglinge und Kleinkinder hat für die Babynahrungshersteller höchste Priorität. Die Erzeugnisse unterliegen strengster Lebensmittelgesetzgebung. Sie erfüllen die spezifischen ernährungsphysiologischen Bedürfnisse von Säuglingen und Kleinkindern. Sowohl in der Gesetzgebung als auch bei der Produktentwicklung wird der jeweils aktuelle Stand des Wissens und die Empfehlungen führende Ernährungswissenschaftler und Pädiater und deren Organisationen berücksichtigt.

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Download: PRESSEMITTEILUNG 01/2024 vom 09. August 2024

Download: Faktencheck zur PPRESSEMITTEILUNG 01/2024 vom 09. August 2024

Quelle: Bundesverband spezielle Lebensmittel (DIÄTVERBAND) e.V.; http://www.diaetverband.de

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